Annika Bierwirth habe ich auf dem ersten Carpediem Barcamp in Hamburg kennengelernt. Dort habe ich sie gefragt, ob sie den GOODplace-Lesern Einblick in ihr favorisiertes Arbeitsmodell und ihre Vorstellungen von sinnerfüllter Arbeit geben möchte. Here you are:
GOODplace: Wie sieht Dein Background aus?
Ich habe an der Alanus Hochschule in Alfter meinen Bachelor in BWL abgeschlossen. Angesprochen hat mich der Titel des Studiengangs: „Wirtschaft Neu Denken“. Wirtschaftswissenschaftliche Inhalte wurden hier nicht nur vermittelt, sondern auch hinterfragt. Worauf bauen wir auf und was können wir ändern? Die Uni ist unter anderem dem anthroposophischen Gedankengut verbunden, das Konzept der universitären Lehre demnach ganzheitlich angelegt: Neben BWL und fachlichem Wissen wurden uns auch philosophische und künstlerische Inhalte vermittelt, die zu einem umfassenden Studium Generale gehörten. Auf diese Weise haben wir einen anderen Zugang zu Problemlösungen erfahren und verschiedene, zum Teil neuartige Perspektiven einnehmen und erproben können. Zum Beispiel, ein Thema nonverbal gemeinsam in zeichnerischer Form zu erarbeiten. Das Studium hat mir und meinen Kommilitonen eine intensive Persönlichkeitsbildung ermöglicht. Hier haben sowohl Freidenker als auch Konservative zueinandergefunden, um gemeinsam Wege zu finden.
Während meines Studiums an der Alanus Hochschule absolvierte ich jährlich zweimal 3 Monate Praxisphasen im Unternehmen Weleda. Der Naturkosmetik- und Arzneimittelkonzern zählt zu den Praxispartnern der Universität und fördert den Studiengang Wirtschaft Neu Denken und somit seine Studenten. Weleda gewinnt damit unter anderem junge Mitarbeiter, die die Firmenphilosophie mit Fokus auf den Menschen kennen und schätzen lernen, und ermöglicht ihnen einen umfassenden Einblick in das Unternehmen.
Zurzeit gehe ich einem Masterstudium in Communication & Cultural Management an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee nach. Hier finde ich ein eigenverantwortliches Arbeiten und zeitgemäße, bewegende Fragen wieder. Studierenden wird der Rahmen geboten, sich auszutauschen und Ideen umzusetzen. Dementsprechend viele Gründungen gehen aus der Zeppelin Uni hervor, darunter z.B. Rock Your Life!, Knusperreich und DeinBus.de.
GOODplace: Welche Erfahrungen hast Du in der Arbeitswelt gemacht?
Bei Weleda in Frankreich konnte ich mein Interesse an den Themen Personal und Kommunikation vertiefen. Die Stimmigkeit von interner und externer Kommunikation, die Authentizität z.B. waren mir wichtige Punkte, aus denen sich ein vielseitiges und lehrreiches Arbeitsfeld ergeben hat. Die Herausforderung, die Identität, die Werte und die Geschichte des Unternehmens zu erörtern, zu festigen, in den Alltag der Mitarbeiter zu integrieren und so als Unternehmenskultur lebhaft zu machen, ist vor allem bei einem derart traditionsreichen und international agierenden Unternehmen bemerkenswert.
Ein Schwerpunkt, der vor allem in meiner Zeit an der Alanus geprägt wurde, sind für mich das Menschenbild sowie die Vorstellung von Arbeit. Zudem sind mir die Werte, die mir meine Familie vermittelt hat, sehr wichtig: Wertschätzung nimmt hier eine zentrale Rolle ein. Gerade diesen Dreiklang an Themen in einem Unternehmen wiederzufinden oder umzusetzen gewinnt an Bedeutung. Mich fasziniert außerdem die Erkenntnis, dass ein Mensch nicht notwendigerweise führt, weil er eine bestimmte Position innehat, sondern weil er interessante und voranbringende Fragen stellt. Dies lehnt zum Teil an Gedanken von Götz Werner, dem Gründer von dm-drogeriemarkt, an.
Mich überhaupt diesen Fragen widmen zu können, empfinde ich als sehr wertvoll – immer in dem Bewusstsein, dass mir die Chance dazu liebe Menschen in meinem Umfeld durch ihre großzügige Unterstützung ermöglichen und viele weitere Personen diese Gedanken durch wegweisende Impulse bereichern.
GOODplace: Was machst Du jetzt und warum?
Ich führe mein Studium an der Zeppelin Uni fort und beschäftige mich mit dem vielfältigen Thema der (Lebens-)Führung sowie mit Denk- und Glaubensmustern z.B. aus der asiatischen und „westlichen“ Welt. Momentan bin ich Praktikantin in einem StartUp in Hamburg, das neue Formen der Arbeit für Studenten anbietet. Das Spannende an dem Konzept ist, dass Studenten selbst einschätzen können und müssen, was sie leisten können und wollen. Die Jobs reichen von Übersetzungen über Analysen bis hin zu Programmierungen. Interessant dabei ist der kontinuierliche Lernprozess sowohl für die Studenten als auch für das StartUp-Team, das stets daran arbeitet, bessere Rahmenbedingungen, neue Strukturen und vielfältige Aufgaben zu schaffen. Außerdem ist das Arbeiten im StartUp eine bereichernde Erfahrung – flache Hierarchien, viel Umsetzungsfreiheit und Arbeitsmöglichkeiten.
GOODplace: Wie organisierst Du Studium und Job?
Wahrscheinlich bin ich generell ein eher organisierter und strukturierter Mensch. Das Studium steht für mich derzeit im Vordergrund. Die Praxis gibt mir die Möglichkeiten Erfahrungen zu sammeln und mir gleichzeitig Fragen aus der Theorie anders oder neu zu stellen. Zudem gibt es mir die Möglichkeit zu entscheiden, welche Erfahrungen ich in Zukunft machen möchte und welche ich, soweit möglich, zu vermeiden suche. Zudem ermöglicht es mir, das Thema „Work-Life-Balance“ für mich auszuloten.
Mein Erfahrungsweg hat mir gezeigt, dass ich meist die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt kennenlerne. Das verhilft mir zu einer gewissen Gelassenheit, die allerdings ganz und gar nicht einfach zu erreichen war.
Gerade in der Generation Y baut sich allein schon Druck durch die schiere Fülle der Möglichkeiten auf. ‚Was kann ich und was möchte ich wirklich beitragen?‘ ist für mich eine der wichtigsten Fragen, die man sich ehrlich beantworten sollte, aber wahrscheinlich nur schwerlich zur Gänze beantworten kann. Dazu lohnt es sich, auch einmal aus dem Alltag auszusteigen und die Dinge mit mehr Distanz zu betrachten.
GOODplace: Was ist für Dich ein GOODplace?
Arbeitstechnisch ist es ein Ort, wo ich arbeiten kann, ohne dass ich meine Prinzipien und Werte über Bord werfen muss. Ein Ort, an dem der Mensch gebraucht und für seine Arbeit wertgeschätzt wird. Ein wichtiger Punkt ist das Stichwort „Work-Life-Balance“. Darunter verstehe ich das Bewusstsein, dass das Leben von Mitarbeitern auch während der Arbeitszeit stattfindet. Wir verbringen einen Großteil des Tages auf unserer Arbeit – es ist ein Geben und Nehmen und viel mehr als nur der bloße Austausch zwischen Geld und Leistung. Es geht auch um Anerkennung in all ihren Formen und berufliche als auch persönliche Weiterentwicklung. Dazu gehört manchmal vor allem auch die Leistung des Führenden anzuerkennen. Und manchmal macht es verrückterweise einfach Spaß. Dabei stellt sich vor allem auch die Frage: Was treibt mich an, um mit Freude einen Schritt weiter zu gehen, mich aktiv einzubringen und zu engagieren? Das hängt insbesondere mit dem Miteinander und dem gemeinsamen Umgang zusammen.
Schon jetzt verschwimmen Freizeit und Arbeit durch technologischen Fortschritt und den formloseren Umgang miteinander immer stärker. Dabei wird es immer wichtiger, seine eigenen Grenzen ziehen zu können – soweit einem dies möglich ist – und in adäquater Weise Mensch statt nur Mitarbeiter sein zu dürfen.
GOODplace: Was sind Deine Zukunftspläne?
Erst mal werde ich mein Master Studium in Friedrichshafen abschließen. Während meines Praktikums im StartUp habe ich meine Liebe zum Projektmanagement und zur Textarbeit entdeckt. Mich in den verschiedenen Bereichen ausprobieren zu dürfen, ist gerade sehr erfüllend. Kommunikation und Personal heben sich für mich dabei immer stärker als spannende Themen hervor. Aber wer weiß, was das Studium noch bringt. Man trifft ja bekanntlich immer die richtigen Menschen…
Danke für das Interview, Annika. Der Garten des Hadley’s war ein echter GOODplace für unser entspanntes Gespräch.
Interview:
Monika Kraus-Wildegger, Gründerin von GOODplace, Community für neue, bessere Arbeitswelten. Auf GOODplace geben Unternehmen Einblick in ihre Feelgood- Unternehmenskultur, um für die besten Arbeitskräfte attraktiv zu sein. Hier diskutieren Kopf- und Wissensarbeiter, welche Arbeitskultur sie von modernen Unternehmen erwarten.