In unserer dreiteiligen Serie „Unternehmen – Fit for human beings?„, stellen wir neue Strategien und Praxis-Beispiele für mehr Partizipation und Selbstbestimmung in Unternehmen vor.
Teil 1: Welche Führungskultur ist zeitgemäß?
Survival of the fittest
Nach Charles Darwin ist es nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern. In Zeiten, in denen ein tiefgreifender demografischer Wandel, zunehmende Individualisierung und digitale Herausforderungen Unternehmen zu größtmöglicher Flexibilisierung zwingen, erkennen immer mehr Firmenchefs die Bedeutung des darwinistischen Prinzips für ihre Organisation. Was sich in der Vergangenheit bewährt hat, ist nicht mehr automatisch auch erfolgversprechend für die Zukunft. Und so suchen sie nach Möglichkeiten, ihr Unternehmen zu verändern, es anzupassen und zu überleben.
Agile Führungsmodelle verzichten auf Bürokratie und formale Hierarchien
Die Mutigen krempeln die Unternehmensstruktur komplett um. Keine Hierarchien, keine Chefs, keine autokratischen Entscheidungen, kein von oben nach unten. Sie vertrauen auf das Verantwortungsbewusstsein, die Ziel- und Lösungsorientierung selbstbestimmter Mitarbeiter, die in durch Kunden- und Marktanforderungen definierten Teams zusammenarbeiten. In seinem Artikel „Agil ist anders“ zählt Organisationsberater Winald Kasch die Grenzen klassischer Unternehmensstrukturen und Führungsmodelle auf: der Bedarf an immer mehr Koordination und Kommunikation, weil eben nichts mehr auf lange Sicht planbar ist; Bürokratie und Formalisierung, die zeitnahe Entscheidungen unmöglich machen und damit einhergehende Resignation und Motivationsverlust bei den Mitarbeitern.
„Darum plädiere ich dafür, Organisationen agil zu gestalten“, schreibt er und erläutert: „Agile Organisationen haben anders als hierarchische Organisationen eine organische oder zellartige Struktur. Sie bestehen durchgehend aus Teams, die hochgradig eigenverantwortlich und ohne klassische Führungskraft arbeiten. Zudem haben sie einen starken Fokus auf den Markt und sind dadurch von außen nach innen organisiert.“ In der Umsetzung bedeutet das schnellere Entscheidungen, bessere weil kundenorientierte Produkte und motivierte, selbstbestimmt handelnde Mitarbeiter. Absolute Transparenz, ein hoher Grad an vernetzter Kommunikation und eine konsequente Ausrichtung am Markt sind Voraussetzungen für den Erfolg einer agilen Unternehmensführung.
Holacracy – Führung ohne Führung?
Einen ebenso agilen Ansatz verfolgt das Holacracy-Führungsmodell, dessen Erfinder Brian J. Robertson es auch als „neues Betriebssystem für Organisationen“ bezeichnet. Klassische Hierarchien werden durch miteinander verbundene Arbeitskreise, sogenannte „Holons“ ersetzt. Dadurch wird die Macht von einzelnen Führungspersonen aufgefächert auf viele autonome Einheiten, die sich nach Themen und den daraus resultierenden Verantwortlichkeiten und Tätigkeiten immer wieder neu formen. Durch das Überlappen der Holons können Mitarbeiter nach eigenem Engagement auch verschiedene Rollen und Positionen übernehmen. Jüngster Anhänger der neuen Führung ohne Führung ist der US Fashion-Onlineshop Zappos. Bis Ende des Jahres will noch-CEO Tony Hsieh seine 1.500 Mitarbeiter in die neuen, flexiblen Strukturen einbinden und ihnen mehr oder weniger die Führung des Unternehmens überlassen.
Unternehmen ohne Führung – ein „one size fits all“-Modell?
Doch egal ob Holacracy oder ein anderes agiles Führungsmodell – der Erfolg steht und fällt mit den Mitarbeitern. Sie sind mit ihren persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, mit ihren Bedürfnissen, Wünschen und letztlich mit ihrer Leistungsbereitschaft die zentrale Größe in einer mitarbeiterbestimmten Unternehmensführung. Die Frage ist, ob sie das auch wollen. Finden neben engagierten Leadern auch Follower, die keinen Wert auf Verantwortung legen, klar umrissene Aufgaben und einen Chef als direkte Bezugsperson mögen, ihren Platz in der neuen Un-Struktur?
Leise aber wirkungsvolle Veränderung mit Feelgood-Management
Andere Unternehmen, wie Wooga und Goodgame beweisen längst, dass es mit einem funktionierenden Feelgood-Management auch ohne eine Hauruck-Umwälzung möglich ist, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Veränderungen im Unternehmen sind vielleicht leiser aber nicht weniger wirkungsvoll. Denn sie beruhen auf den Bedürfnissen und Wünschen der Mitarbeiter. Feelgood-Management geht der entscheidenden Frage nach: „Was braucht der einzelne Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, um sich im Unternehmen wohl zu fühlen, einen guten Job machen zu können und sein Potential zu entfalten?“ Durch diese klare Ausrichtung am Mitarbeiter verbunden mit der Zielsetzung als Unternehmen besser zu werden, werden Veränderungen tatsächlich gelebt. Das kann wie am Beispiel von Wooga die Entwicklung des Wooga Work Style’s sein, der auf weniger Hierarchie und mehr Eigenverantwortung setzt und informelles get together fördert. Manchmal ist es im ersten Schritt auch „nur“ der Wunsch nach einer gemütlichen Büroküche oder Freiraum für Begegnung und kreativen Austausch. Das Tempo geben die Mitarbeiter vor.
Monika Kraus-Wildegger, Gründerin von GOODplace – Plattform für Innovation und neue Dynamik in der Arbeitswelt. GOODplace steht für neues Denken und neues Arbeiten in Unternehmen. Hier diskutieren Kopf- und Wissensarbeiter, welche Arbeitskultur sie von modernen Unternehmen erwarten.