Flexibilität und Unabhängigkeit, auch finanzielle, gehören zu den Schlüsselansprüchen der neuen Arbeitswelt. Sinnstiftend, den eigenen Wünschen entsprechend wollen wir arbeiten und am liebsten nur noch Projekte umsetzen, für die wir brennen.
Was uns davon abhält? Die Angst, und unsere verstaubten Vorstellungen davon, wie wir leben wollen. Die Idee des Eigenheims in der Vorstadt haben viele bereits abgelegt, stattdessen träumen wir von der Stadtwohnung, aus der wir uns mit Hilfe des Kaufs derselben auch durch steigende Mieten nicht verdrängen lassen. Der Neuwagen gilt auch in der Stadt noch immer als Statussymbol.
In seinem Buch „Investment Punk. Warum ihr schuftet und wir reich werden“ räumt Gerald Hörhan mit gängigen Mittelschichts-Idealen auf. Das Eigenheim oder die Eigentumswohnung, der Neuwagen, die krisensichere Festanstellung: das alles sind überholte Klischees, die die Mittelschicht daran hindert, finanziell unabhängig zu sein und flexibel und sinnvoll zu arbeiten.
Investment Punks sollen wir werden, mutiger sein und ökonomischer handeln.
Dazu zählt zum Beispiel in eine Eigentumswohnung zu investieren, um sie dann zu vermieten, statt selbst darin zu wohnen. Oder aber statt eines Neuwagens, für den wir uns auf Jahre verschulden, einen gut erhaltenen Gebrauchtwagen zu kaufen. Oder eben sich mit der eigenen Idee selbstständig zu machen, statt für die Träume anderer zu arbeiten. Die Kosten für eine Selbstständigkeit sind durch die Digitalisierung auf ein Minimum gesunken, sodass auch ein geringes Startkapital ausreicht, um die eigenen Ideen in die Tat umzusetzen.
Was läuft schief?
Dies ist keine neue Erkenntnis, wie wir aber mit den Folgen umgehen sollen, dafür haben wir bisher keine zufriedenstellende Lösung gefunden. Die Praxis zeigt: Die meisten klammern sich an ihre Jobs, versuchen, dass in den letzten Jahren aufgebaute Gesellschafts- und Sozialsystem krampfhaft aufrecht zu erhalten. Laut Hörhan werden sie zu den Verlierern dieser Entwicklung gehören.
Den Grund hierfür sieht er unter anderem in der Bildung, die wir in unseren Schulen geniessen. Sie bildet uns zu guten Arbeitnehmern aus, statt uns die Grundlagen des Unternehmertums zu vermitteln. Wir lernen dort, wie man sich um einen Job bewirbt, nicht aber, wie man sich als Freelancer selbstständig macht oder ein Unternehmen erfolgreich gründet und leitet.
Mehr Freiheit durch geschickte Investitionen
Damit einher geht auch die Angst vor Investitionen. Während unser Geld auf Tagesgeldkonten oder in Bausparverträgen an Wert verliert, würden die, die sich trauen, sich durch geschickte Investitionen in Immobilien oder an der Börse und durch das Vermeiden von Krediten die Freiheit ermöglichen, von der wir alle träumen. Das könne jeder, behauptet Hörhan weiter.
Abhängigkeitsfallen vermeiden
Zwar geht es Hörhan vornehmlich um das Ziel, möglichst viel Geld zu verdienen, aber seine Analysen können auch denjenigen Inspiration bieten, denen es eher um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder um selbstbestimmtes und sinnvolles Arbeiten geht. Sein Vorschlag, auf Kredite und Ratenzahlungen zu verzichten, um flexibel und unabhängig zu bleiben, mag im ersten Augenblick offensichtlich und selbstverständlich klingen. Wenn wir aber ehrlich unsere monatlichen Fixkosten auflisten, fällt den meisten wohl doch recht schnell auf, dass wir uns immer wieder auf Vertragsabschlüsse einlassen, die uns dazu zwingen, ein regelmäßiges Einkommen zu sichern, dass die Kosten für Wohnen und Leben weit überschreiten.
Stattdessen empfiehlt uns der Autor die ironischerweise typisch mittelständische Sparsamkeit: Erst kaufen, wenn das Geld auch wirklich auf dem Konto ist, kein Überziehen, keine Raten. Nicht nur die Zinsen, sondern auch die monatlichen Beiträge machen uns abhängig von unserem Arbeitgeber.
Verlustangst bei Mitarbeitern ist auch kontraproduktiv fürs Unternehmen
Das Gefühl von finanzieller Abhängigkeit und die Angst, mit dem Job auch das Haus und das Auto zu verlieren sind übrigens nicht nur schlecht für den persönlichen Stresslevel, sondern auch kontraproduktiv fürs Unternehmen: Mitarbeiter, die einen Jobwechsel, der unter Umständen auch geringere Einkünfte bedeutet, finanziell nicht verkraften, sind weniger mutig und innovativ bei der Arbeit und reden dem Chef eher nach dem Mund, anstatt eigene Vorschläge einzubringen.
Weitere Informationen zum Buch erhaltet ihr hier.
Autorin:
Ragna Quellmann interessiert sich für die gesellschaftliche Dimension der neuen Arbeitswelten. Seit ihrem Studium arbeitet sie selbständig als Kulturmanagerin. Sie ist bei GOODplace dabei, weil sie die Zukunft der Arbeit mitgestalten will.