Unsere Arbeitswelt ändert sich. Die Begriffe, mit denen wir sie in Worte fassen, nicht. Sie kommen unverdächtig und vertraut daher: Arbeit, Karriere, Leistung. Was wir damit meinen, ist klar. Oder doch nicht?
Teil 3: Leistung ist Arbeit durch Zeit?
Willkommen in der Leistungsgesellschaft. Hier werden Güter entsprechend der Leistung verteilt und Menschen entsprechend ihrer Leistung bezahlt. Es gelten das „Leistungsprinzip“ und „Leistungsgerechtigkeit“. Wirklich? Wie lässt sich Leistung überhaupt und noch dazu gerecht messen? Und was ist Leistung überhaupt, in unserer heutigen Zeit?
Leistung = Arbeit durch Zeit?
Etwas zu leisten bedeutet laut dem Duden, etwas zu schaffen, etwas zu vollbringen, etwas zu erreichen. Gelingt einem das besonders gut, spricht man von einer „reifen Leistung“. Oftmals findet man aber auch nur eine rein physikalische Definition von Leistung: Leistung ist gleich Arbeit durch Zeit. Punkt.
Schnell fällt auf: Obwohl wir oft als Leistungsgesellschaft beschrieben werden, gibt es kaum eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Leistung“ im Kontext unserer Arbeit und Kultur. Leistung ist, vor allem in unserer Arbeitswelt, immer noch stark an Arbeitszeiten und Präsenz geknüpft. Vielleicht, weil es sie greifbarer und vergleichbarer macht.
Sind es nicht die Ergebnisse, die zählen?
Unser Verständnis von Leistung ist damit gleichermaßen diffus und eng. Vielmehr noch: oftmals passiert es scheinbar schleichend, dass wir die Gleichung (Leistung = Arbeit/Zeit) im Kopf umstellen, sie reduzieren auf nur zwei Faktoren.
Aus
Leistung = Arbeit / Zeit
wird dann schnell
Leistung = Zeit
Die Ergebnisse, die Qualität, wer kann das schon ständig objektiv nachprüfen? Zeit, das ist was Solides. Da hat man was in der Hand, eine solide Kennzahl für den Fleiss des Mitarbeiters. Sich von dem Zeitfaktor zu lösen, Leistung tatsächlich an Ziele zu knüpfen und nicht an Stunden, das ist zwar in vielen Unternehmen auf der Agenda – aber in der Umsetzung eine große Herausforderung.
In unseren Hinterköpfen bleibt eben immer noch diese alte Verbindung, dass etwas zu leisten bedeutet, viel zu arbeiten. Ein Leistungsträger nur sein kann, wer ordentlich ranklotzt.
Dabei ist uns eigentlich klar, dass Produktivität nicht automatisch mit Zeit, mit 9-5, mit Wochenarbeitsstunden und mit Präsenz zu tun hat. Eher im Gegenteil: „Wir müssen endlich aufhören, Arbeitnehmer für Zeit zu bezahlen und statt dessen Leistung honorieren“ (Heinz Fischer, Europa-Chef Administration, Hewlett-Packard).
Präsenzkultur vs. Leistung
Die Leistung so eng an den Zeitbegriff zu koppeln, ist in den allermeisten Jobs viel zu kurz gegriffen und wird den Mitarbeitern nicht gerecht. Natürlich – zugegeben – gibt es vielen Aufgaben, in denen die Leistung in einem direkten Verhältnis zur Zeit steht und man an der abgeleisteten Zeit den fleissigen Arbeiter erkennt. In ebenso vielen Bereichen aber ist diese Art der Leistungsdefinition so verstaubt wie unzureichend.
„Workaholics aren’t heroes. They don’t save the day, they just use it up. The real hero is already home because she figured out a faster way to get things done.“
(Jason Fried & David Heinemeier Hansson, Founders of 37Signals, in „Rework“)
Die „Arbeit“, die Qualität also ist das, was wirklich zählt. Vor allem bei Kopfarbeitern, also Menschen, die hauptsächlich mit ihrem Wissen arbeiten, ist Leistung dabei eine hochindividuelle Angelegenheit. Sie ist in den seltensten Fällen an Präsenz geknüpft, und viel öfter an das, was am Ende dabei herauskommt. Denn darum geht es ja: um kreative, pragmatische Lösungen, darum, die Ziele (des Unternehmens, und die eigenen) zu erreichen. Nicht um die Lebenszeit, die zu diesem Zweck investiert wurde. Sonst verkäme Arbeit ja zum Selbstzweck – und Leistung zu einer reinen Zeitmessung.
Gastautorin: Jana Tepe beschäftigt sich tagtäglich mit den Fragen unserer Berufswelt und setzt sich für lebensfreundliche Arbeitsmodelle ein. Mit ihrem Unternehmen Tandemploy möchte sie dem Thema Jobsharing in Deutschland eine Stimme geben und bei der Umsetzung unterstützen. Informationen und Erfahrungen rund um das Thema Jobsharing teilt sie auf dem Blog zweiteilen.de.