Sven Gabor Janszky im Interview mit GOODplace. Janszky ist Trendforscher und Mitautor des Buches „2025. So arbeiten wir in der Zukunft“, erschienen im Goldegg Verlag.
I: Erst einmal herzlich Wilkommen! Was bedeutet die von Ihnen skizzierte Arbeitswelt in 2025 für Unternehmen, und was ändert sich fundamental?
A: Grundsätzlich ist diese Welt der Vollbeschäftigung, in die wir in Deutschland gehen, eine große Gefahr für Unternehmen. Und zwar weil Unternehmen große Probleme bekommen werden, das für sie wichtigste Gut, oder wichtigste Kapital, zu gewinnen – und das sind qualifizierte Menschen. Der deutsche Arbeitsmarkt wird vermutlich im Jahr 2025 ein Minus von etwa 3 Millionen bis 3,5 Millionen Menschen haben. Das heißt es wird drei bis 3,5 Millionen nicht besetzbare Stellen geben. Und da ist der Zufluss von Menschen in den Arbeitsmarkt eingerechnet, z.B. durch Frauenförderung, qualifizierte Ausländer etc. Wir entwickeln uns aus einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit in Richtung Vollbeschäftigung. In Zukunft, und das ist der große Wandel aus Sicht der Arbeitnehmer, wird es so sein, dass wenn man heute seinen Job verliert, oder selbst kündigt, dann hat man, so man gut ausgebildet ist, morgen fünf oder zehn, oder vielleicht sogar 20 neue Angebote. Das sorgt natürlich für einen starken Wandel im Machtverhältnis zwischen Mitarbeitern und Unternehmen. Ich rechne damit, dass tatsächlich die Mitarbeiter den Unternehmen diktieren können, zu welchen Konditionen sie angestellt werden wollen.
Auch in den Unternehmen wird es einen fundamentalen Wandel geben. Und zwar im Hinblick auf Personalarbeit. Bisher operieren die Unternehmen nach einer Logik, die da heißt: Es gibt eine freie Stelle, die in einem Jobprofil beschrieben wird und aus der ersichtlich ist, welche Qualifikationen gebraucht werden. Daraufhin bewerben sich 100, 200, 300 Menschen, unter denen der beste ausgesucht wird. Diese Logik wird nicht erst 2025, sondern schon in den nächsten Jahren nicht mehr funktionieren. Die Menschen, die genau auf dieses Jobprofil passen, wird es am Arbeitsmarkt einfach nicht mehr geben. Unternehmen werden nicht mehr Jobprofile ausschreiben, sondern sie werden Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind, möglichst hoch ausgebildete, einstellen, selbst wenn sie dem geforderten Jobprofil überhaupt nicht entsprechen. Die Tätigkeit oder die Kompetenz, die der neue Mitarbeiter nicht abdeckt, werden sie zu anderen Mitarbeitern schieben und dadurch die Abteilungsgrenzen durchlässig machen für ein ständiges Verschieben von Verantwortungsbereich und Tätigkeitsbereich.
2025 wird es in Deutschland 3 bis 3,5 Millionen unbesetzte Stellen geben. Das Machtverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ändert sich dadurch fundamental.
I: Was unterscheidet den Arbeitgeber der Zukunft von heutigen Unternehmen?
A: Die Arbeitgeber der Zukunft werden verstanden haben, dass die Sicherung von hochqualifiziertem Personal, im Prinzip das Herzstück des Unternehmens und eine der wichtigsten strategischen Aufgaben ist. Alles, was heute unter dem Stichwort „Personalarbeit“ oder „Human Resources“ verstanden wird, und in vielen Unternehmen ein Schattendasein führt, wird innerhalb des Unternehmens eine Aufwertung erfahren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein zukunftsbewusstes und verantwortungsbewusstes Unternehmen in der Zukunft die Personalstrategie nicht dem Vorstand anbindet. Dafür wird es dann unterschiedliche Strategien geben. Ich habe in dem Buch zwei Strategien beschrieben: auf der einen Seite fluide Unternehmen, auf der anderen die Caring Companies. Für jede dieser Strategien muss sich im Unternehmen auch die Struktur und Handlungsweise verändern.
I: Welche Weichen sollten Unternehmen heute stellen, um zukünftig attraktiv für Arbeitskräfte zu sein?
A: Die hohe Nachfrage nach qualifizierten Arbeitnehmnern wird dazu führen, dass die bisher so vielgepriesene Arbeitsplatzgarantie und Arbeitsplatzsicherheit bei einem Arbeitnehmer obsolet wird. Mitarbeiter werden vermutlich nicht für die Dauer ihres Lebens beim selben Unternehmen sein, sondern als „Projektarbeiter“ für zwei oder drei Jahre, je nachdem, wie lange das Projekt dauert, bei diesem einen Unternehmen arbeiten.
Die eine Strategie ist, als Unternehmen einen Knotenpunkt in einem Netzwerk verschiedener Unternehmen zu werden und eine Strategie des konstanten Abstoßes und Wiederanziehens dieser Projektarbeiter zu fahren. Beispielsweise kündigt ein Abteilungsleiter seinen besten Mitarbeiter – nicht, weil der etwas falsch gemacht hat, sondern weil er weiß: wenn ich ihm jetzt kündige, und weiter vermittele in ein neues, herausforderndes Projekt in meinem Netzwerk, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn in 2 Jahren oder 3 Jahren zurückbekomme wesentlich höher, als wenn er noch ein halbes Jahr bleibt, und sich dann selbst einen neuen Job sucht.
Das sind die sogenannten fluiden Unternehmen, die müssen sich diese Netzwerke heute schon aufbauen. Jeder Teamleiter, jeder Abteilungsleiter, braucht solche eigenen Netzwerke und übernimmt die Funktion des Karrieremanagers für seine Mitarbeiter.
Der typische Mittelstand wird eine andere Strategie fahren. Die sogenannten Caring Companies sind Unternehmen, die möglichst viele Bindungen aufbauen, und zwar nicht nur zu einem Mitarbeiter, sondern zu seinem Umfeld. Sie bieten dann beispielsweise betriebseigene Kitas an, in Zukunft vielleicht sogar betriebseigene Schulen, das geht hin bis zu betriebseigenen Wohnungen oder Eigenheimen, die den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Möglicherweise werden den Mitarbeitern Urlaubsreisen bezahlt oder Versicherungspakete für die Mitarbeiter übernommen, möglicherweise trainieren die Kinder, oder die Partner, in unternehmenseigenen Sportvereinen – und so weiter und so fort.
Unternehmen werden sich in Zukunft entscheiden müssen, welche Strategie sie fahren: Die einer Caring Company oder die eines fluiden Unternehmens.
I: Unternehmen, die sich für die Strategie einer Caring Company entschieden haben, empfehlen Sie als Umsetzung den Chief Caring Officer. Tatsächlich gibt es heute bereits die Funktion des Feelgood Managers, in einigen, sehr innovativen Unternehmen. Sie sind zentraler Ansprechpartner in Sachen Unternehmenskultur, aber auch Onboarding und Caretaker für Mitarbeiter. Entspricht das Ihrer Vorstellung eines Chief Caring Officers?
A: Zu einem Teil – aber zu einem nur kleinen Teil. Der wichtige Unterschied ist, dass die wirklich strategisch wichtige Mitarbeiterbindung nicht die Bindung zum Mitarbeiter direkt ist. Dass der sich wohlfühlt, das muss in Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein. Aber die wirkliche Zielrichtung ist das Umfeld der Mitarbeiter, um es ihnen so schwer wie möglich zu machen, das Unternehmen zu verlassen, weil sie so viele Bindungen zerschlagen müssten.
I: Für das Gegenstück zu diesen Caring Companies, den fluiden haben Sie die Position des Chief Changing Officers entworfen. Brauchen diese Unternehmen keinen Chief Caring Officer?
A: Ich rechne damit, dass die wirklich Langzeitangestellten, die nach dem bisher klassischen Modell arbeiten, eher in den niedrigqualifizierten Tätigkeiten zu Hause sind während die strategisch wichtigen, mittel- und hochqualifizierten Mitarbeiter eher in dieser Struktur von Projektarbeit unterwegs sind. Das ist ein Grund dafür, dass das Hauptaugenmerk des Chief Changing Officers tatsächlich auf diesen Projektarbeitern liegen wird.
Es gibt inzwischen einige Studien, die untersuchen, wer kompetenter ist, die Projektarbeiter oder die Langzeitangestellten. Sie kommen zu einem sehr, sehr klaren Ergebnis: es sind die Projektarbeiter und die Jobnomaden. Ich gehe daher davon aus, dass ein Chief Changing Officer versuchen wird, auch die festangestellten Mitarbeiter in die Arbeitsweise von Projektarbeitern zu bringen, mit Hilfe von Projektarbeit, Jobrotation, neuen Aufgabenstellungen von Zeit zu Zeit.
I: Vielen Dank für das Gespräch!
Der zweite Teil des Interviews, folgt in Kürze.
Interview:
Monika Kraus-Wildegger, Gründerin von GOODplace, Community für neue, bessere Arbeitswelten. Auf GOODplace geben Unternehmen Einblick in ihre Feelgood- Unternehmenskultur, um für die besten Arbeitskräfte attraktiv zu sein. Hier diskutieren Kopf- und Wissensarbeiter, welche Arbeitskultur sie von modernen Unternehmen erwarten.
Text:
Ragna Quellmann interessiert sich für die gesellschaftliche Dimension der neuen Arbeitswelt. Seit ihrem Studium arbeitet sie selbständig als Kulturmanagerin. Sie ist bei GOODplace dabei, weil sie die Zukunft der Arbeit mitgestalten will.