Svenja Hofert ist Expertin für neue Karrieren, Coach, Buchautorin und betreibt einen eigenen Karriereblog.
I: Was genau sind neue Karrieren? Was bieten uns neue Karrieren und welchen Typ Mensch braucht es dazu?
H: In den Unternehmen tut sich im Moment ganz viel. Neue und alte Welten prallen aufeinander. Für die jüngeren Leute, die „Generation Y“ ist das manchmal nicht ganz einfach. Flexibilität, Homeoffice, schöne Räume, nette Atmosphäre, schönes Arbeitsleben, Kooperation – das ist das, was die Generation Y will, oder auch manche der Älteren. Ich würde das zum Beispiel auch bevorzugen. Aber in den Unternehmen sitzen Leute, die sehen das nicht so. Das merke ich ganz stark, das passiert im Moment in allen Branchen, und das ist für die Jungen oder Junggebliebenen nicht einfach. Die Älteren kommen damit auch nicht so richtig klar. Es gibt viele neue Chancen, aber auch immer noch viele Blockaden.
I: Wie können wir lernen mit eben diesen neuen Rahmenbedingungen umzugehen, oder mit diesen Veränderungen, die man natürlich auch als Chancen sehen kann?
H: Erst einmal geht es darum, für sich selber zu definieren: Wonach suche ich eigentlich, was ist mir wichtig? Da gibt es große Unterschiede. Es gibt die Leute, denen ist Kooperation wichtig. Dann gibt es die Leute, denen ist Weiterbildung und Entwicklung sehr, sehr wichtig. Immer mehr fordern das auch ein. Und dann gibt es die Leute, denen ist auch das Sinnhafte wichtig, das Soziale. Dass sie etwas machen, was für die Gesellschaft oder für die Welt relevant ist. Das ist der wichtigste Tipp, glaube ich. Was genau will ich eigentlich? Und der zweite ist dann: Welche Unternehmen spiegeln das? Man wird Schwierigkeiten haben, ein Unternehmen zu finden, das die eigenen Werte vollständig verkörpert. Man wird höchstens eines finden, das sie weitgehend verkörpert. Und damit sollte man eigentlich schon zufrieden sein. Das wäre der dritte Tipp, dass man nicht die Unternehmen deswegen meiden sollte, sondern sie suchen sollte, wo man maximalen Fit hat. Manche Menschen suchen nach etwas, was es vielleicht so noch gar nicht gibt. Wichtig ist, die Veränderung in den Unternehmen voranzutreiben. Dazu braucht es Leute, die das aktiv gestalten.
Vieles wird dadurch geprägt sein, dass man in einer späteren Phase eher dazu neigt, nach Sinn zu suchen. Das wird die Unternehmen unter Zugzwang setzen, Sinn zu bieten.
I: Welche Rahmenbedingungen sollten von Unternehmensseite da sein, damit solche neuen Karrieren möglich sind? Wie merkt man, wo man gute Startbedingungen vorfindet?
H: Viele Personalmitarbeiter sind sehr engagiert und bemüht, den Fortschritt in ihre Unternehmen zu tragen, weil sie wissen, wie hart der Kampf um gute Mitarbeiter geworden ist. Das Problem sind oft die Fachabteilungen. Ich denke, ein gutes Unternehmen sollte alles daran setzen, die Verantwortlichen in den Fachabteilung so zu schulen, dass sie die Bewerber in den Vorstellungsgesprächen nicht vergraulen. Bei den Startups ist es ganz klar, die sind anders kultiviert. Aber bei den mittelständischen Unternehmen fängt die Veränderung bei der Personalabteilung an, und da bleibt sie leider oft stecken.
Ein Vorstellungsgespräch, der ganze Recruiting-Prozess, darf keine Show sein, nach dem Motto: Wir müssen jetzt Bella Figura machen, damit dieser begehrte Bewerber zu uns kommt. So wie der Bewerber auch nicht Bella Figura machen muss, und die 120 Vorstellungsfragen auswendig lernt. Man muss klar sagen, wenn es nicht passt – auf beiden Seiten. Manchmal ist ein Tag vor Ort zu arbeiten hilfreich, manchmal reicht das aber auch gar nicht aus. Manchmal muss man vielleicht eine Woche vereinbaren, und gucken: passt das wirklich? Die Unternehmen haben ja nichts davon, fünfstellige Beträge für Recruiting-Prozesse auszugeben, wenn am Ende die Leute ganz schnell wieder weg sind. Und es bleiben im Grunde nur die, die schlechter qualifiziert sind. Das muss man einfach so sagen.
I: Wie werden wir in Zukunft arbeiten?
H: Ich glaube, dass es ganz viele verschiedene Modelle geben wird. Auch lange Zugehörigkeiten. Ich habe für ein neues Buch neulich mit jemandem gesprochen, die seit 26 Jahren bei dem gleichen Unternehmen und immer noch glücklich ist. Dieses Unternehmen hat es geschafft, alle 2-3 Jahre neue Anreize zu bringen. Daran sieht man, dass das Modell „lange Zugehörigkeit“ funktionieren kann. Was ganz wichtig werden wird, ist Lebensphasen-Arbeiten. Man hat vielleicht eine Zeit, in der man richtig Know-how aufbaut und powert. Und es wird Zeiten geben, wo etwas anderes einen größeren Raum einnimmt. Daran müssen sich alle gewöhnen, dass der rote Faden im Lebenslauf verloren geht.
Große Unternehmen werden im Wesentlichen extrovertierte Teamarbeiter, die organisieren, als Kernteam haben. Der Rest wird nach außen gelagert. Diese Entwicklung zeichnet sich schon ab. Größere Firmen arbeiten immer mehr mit einem Kernteam, das nicht unbedingt fachlich hoch qualifiziert ist, sondern im Kommunikationsbereich. Die fachlichen Expertentätigkeiten werden eher selbstständig sein, oder kleine Firmenkooperationen.
Leute mit mehr fachlichem Know-how sind typischerweise die, die gerne autonom arbeiten, und die eigentlich nicht in einen Konzern-Kontext passen, weil sie autodidaktisch Wissen erweitern. Sie werden in der Regel nicht die Angestellten sein.
Interview:
Monika Kraus-Wildegger, Gründerin von GOODplace, Community für neue, bessere Arbeitswelten. Auf GOODplace geben Unternehmen Einblick in ihre Feelgood- Unternehmenskultur, um für die besten Arbeitskräfte attraktiv zu sein. Hier diskutieren Kopf- und Wissensarbeiter, welche Arbeitskultur sie von modernen Unternehmen erwarten.
Text:
Ragna Quellmann interessiert sich für die gesellschaftliche Dimension der neuen Arbeitswelten. Seit ihrem Studium arbeitet sie selbständig als Kulturmanagerin. Sie ist bei GOODplace dabei, weil sie die Zukunft der Arbeit mitgestalten will.